Filmtipp

2007 stellte Richard David Precht seinem Buch die Frage: „Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?“ Dabei war er bei Weitem nicht der Erste, der auf den Umstand hinwies, dass wir ja im Grunde nicht Eins sind, sondern Viele. Über 100 Jahre zuvor hatte beispielsweise Sigmund Freud sein psychodynamisches Modell entwicklet, in dem er in Ich, Über-Ich und Es unterschied. Drei Kräfte, die in uns wirken, dabei nicht immer einer Meinung sind, gerne auch mal gegeneinander arbeiten und sich das Leben gegenseitig und damit uns schwer machen.

Bis heute spielt dieser Blick auf die Person als einen Verbund von Einzelpersönlichkeiten eine bedeutende Rolle in der Psychotherapie. Dabei wurde er weiter entwickelt, bekam neue Facetten und Schwerpunkte, beispielsweise durch das Psychodrama und die Hypnotherapie. Besonders in der systemischen Therapie und Beratung – und damit auch in allen meinen Beratungssettings – bringt diese Wirklichkeitskonstruktion einen produktiven Ansatz für Diagnose und Interventionen. Denn wenn man mit dem System arbeitet, um Lösungen zu kreieren, warum dann nicht auch mit dem inneren System? Und tatsächlich zeigt sich in meinen Beratungen, dass die Arbeit mit den inneren Anteilen eine zielführende, konstruktive und kurzweilige Intervention ist, die Klienten sehr schätzen und als hilfreich erleben. Und so bringen auch verschiedene Therapierichtungen eigene Konzepte der Teilearbeit auf den Psychotherapie-Markt. In vorderster Linie sind hier die Schematherapie und Ego-State zu nennen.

Warum spreche ich von Wirklichkeitskonstruktion? Weil die Annahme, wir bestehen aus mehreren Persönlichkeiten, Rollen, Instanzen u.ä., natürlich nur eine Annahme ist, die sich nie beweisen lässt. Oder doch? Denn Pete Docter ist es gelungen, die Persönlichkeitsanteile zu filmen und daraus seinen Film „Alles steht Kopf“ zu drehen:

Natürlich bleibt alles eine Konstruktion, wie nunmal alles, was wir von der Welt sehen, eine Konstruktion bzw. ein Konstrukt von Hypothesen über sie sind. Genauso ist eine Wirklichkeitskonstruktion, dass ich zu oben angegebenen Link betonen muss, dass ich für das, was Sie beim Drücken dieses Links erwartet, keine Verantwortung übernehme, ganz besonders nicht für die Werbung, die Youtube Ihnen dazu liefert, aber auch für den Rest nicht. (Da diese Konstruktion von außen kommt und die Realität, die mich treffen kann, wenn ich es nicht tue, recht hart ist, beuge ich mich ihr und versuche nicht, sie zu rekonstruieren.) Wer nun Lust hat mehr über die Arbeit mit dem multiplen Selbst zu erfahren, dem empfehle ich im Nachklang zum oben erwähnten Film das Buch von Schulz-von-Thun: ‚Miteinander Reden 3 – Das innere Team und situationsgerechte Kommunikation‘ als leicht zu erarbeitendem Einstieg in dieses Thema.

Dabei bleibt noch zu sagen – ob Inneres Team, Schematherapie, Ego-State, Pete Docter, Freud oder meine eigene Teilearbeit – alle diese Konzepte sind nicht einheitlich und teilweise grundverschieden. Es sind eben Konstruktionen und letztlich zählt nicht das, was wahr ist, sondern das, was hilft!

Herzliche Grüße,

Ihr Daniel Breutmann

Asperger

Ein paar Worte zum Asperger-Syndrom:
In meiner Arbeit habe ich regelmäßig mit Personen mit einem sogenannten Asperger-Syndrom zu tun. Im Studium der Psychologie als auch in der Ausbildung zum Psychotherapeuten spielt dieses Phänomen allerdings bestenfalls eine Nebenrolle. Asperger ist im Vergleich zum typischen Autismus, wie wir ihn aus Filmen wie Rainman oder The Mercury Puzzle kennen, nicht so schnell und eindeutig zu erkennen. Auf dem ersten Blick sind Betroffene Menschen mit manchmal etwas sonderbaren Verhaltensweisen, also eigentlich ganz „normal“. Dabei haben sie ähnliche Bedürfnisse wie Autisten nach Struktur und Eindeutigkeit. Unsichere Situationen sind für sie schwer ertragbar und Vorgaben, die nicht in ihr Weltbild passen, können sie, wenn überhaupt, nur schwer ertragen und es dauert seine Zeit (teilweise Tage und Wochen), bis sie diese akzeptieren können. Geben wir ihnen diesen Raum nicht, kommt es zu Verweigerung bis hin zu Aggressionen.
Aufgrund der vorherrschenden Unkenntnis, kommt es noch häufig vor, dass sie falsch diagnostiziert werden. Man stellt dissoziales Verhalten fest, Delinquenz, aggressives Verhalten, eine Anpassungsstörung, evtl. Depression. Oft wird ein pädagogisches Problem gesehen, was wiederum Druck auf die Eltern und Familien ausübt. Die Familien ihrerseits sind ebenfalls überfordert, da sie das Verhalten nicht akzeptieren können, aber auch nicht verstehen, wie sie es mit hervorrufen. Auf der anderen Seite ist es aber auch eine schwere und anstrengende Aufgabe, den speziellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Hier benötigen die Familien auch viel Halt, Zuspruch und Unterstützung.

Es lohnt auf jeden Fall, sich in der pädagogischen und therapeutischen Arbeit mit Autismus und Asperger zu beschäftigen. Auch da es sehr wahrscheinlich mehr Betroffene gibt, als wir bisher vermuten. Zumindest ist das meine Vermutung.

Hier finden Sie einen Artikel des Deutschen Ärteblatts von und über eine selbst betroffene Psychotherapeutin: http://www.aerzteblatt.de/archiv/171882

(Für die Inhalte des Links und die damit verbunden Homepage bin ich, wie immer, nicht verantwortlich.)

 

Ein schönes Wochenende!

Daniel Breutmann