Bloß NICHT lachen!

In Beratung, Therapie und Coaching kommen meist Klienten mit ernsten Themen. Nicht selten sind schwere Gefühle, wie Angst, Traurigkeit, Stress und Unsicherheit dabei. Häufig ist es ja gerade das Leiden, das zum Aufsuchen eines Psychologen animiert. Nicht selten scheuten sie sich, so erzählen mir Klienten, bei mir anzurufen, gerade weil sie die Schwere dieser Gespräche fürchteten. Vorangegangene Gespräche mit Verwandten und Bekannten haben diese Schwere erzeugt oder verstärkt. Die Luft wird zum Schneiden, die Stimmungen trüben sich, das Gespräch zieht sich wie Kaugummi. In dieser Atmosphäre wird das Leiden noch einmal vollumfänglich sicht- und spürbar. Wie soll man da denn auch Leichtigkeit hinenbekommen, in diese Schwere? Ich kann doch bei so einem ernsten Thema keine Witze machen? Wie soll sich denn da so ein armer, hilfsbedürftiger, schon fast auf-allen-Vieren-zur-Tür-hineinkriechender, mindestens aber Nase-auf-Hüfthöhe-zu-Boden-blickender Notleidender ernstgenommen fühlen? Das geht doch nicht!…. … …Oder doch?

Über eine der unsere Welt zunehmend bestimmende Soziale-Medien-Plattform habe ich kürzlich einen Artikel gelesen: „Bitte nicht lächeln!“ Ein Fotograf, der sich über das gezwungene Lächeln im Profilbild oder auf Bewerbungsfotos auslässt. „Mist“ habe ich da gedacht, „da kann ich alle meine Profil- und Homepagefotos in die Tonne kloppen!“ Seinen Beitrag schloss er mit der Feststellung, dass gekünstelte Lächeln eher befremdlich wirken.

Genau! Da ist es doch! Lachen muss von Herzen kommen und authentisch sein. UND Humor darf nicht abwertend sein. Eine gute Berater-Beratende(r)-Beziehung ist die wichtigste Grundlage für eine erfolgreiche Beratung. Dabei ist Humor sowohl eine verbindende als auch Lösungs-fördernde Komponente. Wenn man gemeinsam über etwas lachen kann, dann schweißt das zusammen. „In den Psychotherapien, die ich zuvor gemacht habe, musste ich immer weinen. Bei Ihnen gehe ich immer mit einem Lachen!“ sagte mal eine Klientin zu mir. Sie fühlte sich wohl und konnte sich gut auf den Prozess einlassen. Zuvor hatte sie mehrfach ihre Therapie abgebrochen.

Gleichzeitig werden beim Lachen Glückshormone ausgeschüttet. Das hebt die Stimmung und verwandelt Schwere in Leichtigkeit. Eine Leichtigkeit, die Viele, die zu mir kommen, schon länger nicht mehr gespürt haben. Die immer wiederkehrenden schweren Gedanken haben sie in einen Strudel gezogen, der sich immer belastender und bedrückender anfühlt. Humor schafft aber noch viel mehr. Wenn ich es schaffe, über mich selbst zu lachen, erhalte ich eine Distanz zu mir selbst. Ich kann mein eigenes Verhalten aus der Entfernung betrachten und ich bewerte es neu. Und so kann ich mich auch für ein neues Verhalten entscheiden. Ich kann mich aber auch immer noch gleich verhalten, nur dummer Weise huscht mir dann schnell ein Grinsen über die Lippen, wenn ich es bemerke. Wichtig ist hierbei, aber, Humor nicht mit Sarkasmus zu verwechseln. Bei Sarkasmus werte ich etwas ab, das bedeutet aber auch, das ich noch mitten drin stecke. Guter Humor ist wertfrei, teilweise sogar aufwertend. Mit gutem Humor gebe ich etwas seine Existenzberechtigung: Etwas darf sein, WEIL es komisch ist.

Mit Humor, Spaß und Lachfalten lässt sich auch viel spielerischer nach Lösungen suchen. Ich lasse mich auch mal auf etwas Neuartiges, Absurdes ein. Ich bin bereit, meine eigenen Grenzen schrittweise zu übertreten. Es macht mich neugierig, auch weil ich meine Angst vor dem Unbekannten verliere. Wenn ich lache, kann ich keine Angst empfinden. Probieren Sie es aus! Dem/der Ersten, der/die das doch schafft und sich bei mir meldet, spendiere ich ein Eis!
Ihnen fehlt beim Lachen etwas die Übung? Folgen Sie diesem Link!

Diese Gedanken und Erkenntnisse sind nicht neu. Jaak Panksepp hat zum Beispiel einen Großteil seiner neurobiologischen Forschungen darauf verwendet. Liebe, Neugier und Spiel sind für ihn die drei Grundvorrausetzungen für effektives Lernen. In allen drei ist Humor auf unterschiedliche Weise von Bedeutung. Auch Eckart von Hirschhausen sieht Humor als wichtige und unterschätzte Komponente in medizinischen Heilungsprozessen. Aber auch früher, bei vielen Großmeistern der Psychotherapie, ist Humor eine therapeutische Methodik. Ihr wurde aber selten eine zentrale Bedeutung beigemessen. Schade eigentlich. Die Provokative Therapie nach Frank Farrelly hat Humor als zentrale Komponente, denn ohne guten, gesunden Humor ist Provokation nicht hilfreich. Insgesamt ist dieses Feld in Forschung und Methodik aber noch ausbaufähig.

Ohne Humor würde mir Beratung, Therapie, Coaching oder Supervision nicht halb so viel Spaß machen :-) Natürlich ist nicht jedes Anliegen und jede Persönlichkeit dafür geeignet, humoristisch zu begegnen. In erster Linie muss sich der Klient mit seinem Thema ernst und wertgeschätzt fühlen. Doch eine Prise Lachen hat dabei noch nie geschadet und gerne darf es auch eine Prise mehr sein.

In Bewegung

Es ist Sommer, viele zieht es in den Süden und ich zieh in den Norden.

Von Frankfurt bin ich nach Karben (Wetterau) gezogen. Weit ist dass nicht, knappe 20km, aber immerhin! Ich bin weiterhin auch in Frankfurt tätig.

Wer Räumlichkeiten in Karben weiß, die ich (mit-)nutzen kann, nur her damit. Ich bin für jede Info dankbar!

Auf bald! DB

Eine Ehre fürs Ehrenamt

Ab März begleite ich gemeinsam mit Katharina Jung eine Gruppe von Ehrenamtlern, die mit Flüchtlingen arbeiten. Ich freue mich sehr darauf, ihnen einen Teil ihres Einsatzes zurückzugeben. So erhalten sie den Raum, sich auszutauschen und zu vernetzen, gemeinsam nach Lösungen für aufkommende Probleme und Schwierigkeiten zu suchen, sich selbst zu stärken uvm.

Das Ehrenamt ist eine besondere Form unsere Gesellschaft zu unterstützen und zu formen! Ohne diese Vielzahl von engagierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern, egal in welchem Tätigkeitsfeld, ob in Vereinen, Initiativen oder gemeinützigen Organisationen, mit kranken, pflegebedürftigen, behinderten, obdachlosen, schutzsuchenden oder sonstigen Menschen, mit Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen oder Senioren wäre eine Gesellschaft wie unsere nicht (über-)lebensfähig.

Ehrenamtlern im Flüchtlingsbereich wird zurzeit eine besondere Aufmerksamkeit zuteil – nicht nur positive. Und durch die aktuell eher unruhigen politischen und gesellschaftlichen Zeiten wird das Engagement und die Motivation auf eine harte Probe gestellt.

So ist es eine Ehre für mich, dem Ehrenamt auf diese Weise etwas zurückzugeben. Die Anmeldung erfolgt über das Kooperationsprojekt Frankfurt hilft unter folgendem Link:

http://frankfurt-hilft.de/professionelle-begleitung/

Ich freue mich drauf!

 

Filmtipp

2007 stellte Richard David Precht seinem Buch die Frage: „Wer bin ich? Und wenn ja, wie viele?“ Dabei war er bei Weitem nicht der Erste, der auf den Umstand hinwies, dass wir ja im Grunde nicht Eins sind, sondern Viele. Über 100 Jahre zuvor hatte beispielsweise Sigmund Freud sein psychodynamisches Modell entwicklet, in dem er in Ich, Über-Ich und Es unterschied. Drei Kräfte, die in uns wirken, dabei nicht immer einer Meinung sind, gerne auch mal gegeneinander arbeiten und sich das Leben gegenseitig und damit uns schwer machen.

Bis heute spielt dieser Blick auf die Person als einen Verbund von Einzelpersönlichkeiten eine bedeutende Rolle in der Psychotherapie. Dabei wurde er weiter entwickelt, bekam neue Facetten und Schwerpunkte, beispielsweise durch das Psychodrama und die Hypnotherapie. Besonders in der systemischen Therapie und Beratung – und damit auch in allen meinen Beratungssettings – bringt diese Wirklichkeitskonstruktion einen produktiven Ansatz für Diagnose und Interventionen. Denn wenn man mit dem System arbeitet, um Lösungen zu kreieren, warum dann nicht auch mit dem inneren System? Und tatsächlich zeigt sich in meinen Beratungen, dass die Arbeit mit den inneren Anteilen eine zielführende, konstruktive und kurzweilige Intervention ist, die Klienten sehr schätzen und als hilfreich erleben. Und so bringen auch verschiedene Therapierichtungen eigene Konzepte der Teilearbeit auf den Psychotherapie-Markt. In vorderster Linie sind hier die Schematherapie und Ego-State zu nennen.

Warum spreche ich von Wirklichkeitskonstruktion? Weil die Annahme, wir bestehen aus mehreren Persönlichkeiten, Rollen, Instanzen u.ä., natürlich nur eine Annahme ist, die sich nie beweisen lässt. Oder doch? Denn Pete Docter ist es gelungen, die Persönlichkeitsanteile zu filmen und daraus seinen Film „Alles steht Kopf“ zu drehen:

Natürlich bleibt alles eine Konstruktion, wie nunmal alles, was wir von der Welt sehen, eine Konstruktion bzw. ein Konstrukt von Hypothesen über sie sind. Genauso ist eine Wirklichkeitskonstruktion, dass ich zu oben angegebenen Link betonen muss, dass ich für das, was Sie beim Drücken dieses Links erwartet, keine Verantwortung übernehme, ganz besonders nicht für die Werbung, die Youtube Ihnen dazu liefert, aber auch für den Rest nicht. (Da diese Konstruktion von außen kommt und die Realität, die mich treffen kann, wenn ich es nicht tue, recht hart ist, beuge ich mich ihr und versuche nicht, sie zu rekonstruieren.) Wer nun Lust hat mehr über die Arbeit mit dem multiplen Selbst zu erfahren, dem empfehle ich im Nachklang zum oben erwähnten Film das Buch von Schulz-von-Thun: ‚Miteinander Reden 3 – Das innere Team und situationsgerechte Kommunikation‘ als leicht zu erarbeitendem Einstieg in dieses Thema.

Dabei bleibt noch zu sagen – ob Inneres Team, Schematherapie, Ego-State, Pete Docter, Freud oder meine eigene Teilearbeit – alle diese Konzepte sind nicht einheitlich und teilweise grundverschieden. Es sind eben Konstruktionen und letztlich zählt nicht das, was wahr ist, sondern das, was hilft!

Herzliche Grüße,

Ihr Daniel Breutmann

Veränderungen

Momentan begegnet mir in der Arbeit immer wieder das Thema Veränderung. So wird mir davon berichtet, wie befreiend, beängstigend, aufregend, hemmend Veränderungen im Leben/auf der Arbeit/im Privaten erlebt werden.

Das Interessante dabei ist, das Veränderungen bei lebenden Systemen ganz normal sind. Sind es die grauen Haare oder Falten, die wir bekommen, oder unsere Kinder, die wachsen und groß werden. Fritz Simon gibt in seinem Buch „Meine Psychose, mein Fahrrad und ich“ ein anschauliches Beispiel dazu: Haut man in ein Auto eine Beule, dann wäre es seltsam, würde diese Beule von allein wieder verschwinden. Hat ein Mensch eine Beule, wäre es andererseits unnormal, würde sie nicht wieder zurückgehen. Lebende Systeme (Menschen, Tiere, Familien, Organisationen, Mannschaften…) sind so konzipiert, dass sie einerseits zu einer Homöostase (durch Veränderung gleich bleibend) tendieren (die Beule, die verschwindet, die Körpertemperatur, die bei ca. 37° Celsius „konstant“ bleibt, obwohl der Körper von außen ständig abgekühlt wird), andererseits immer im Wandel sind (Kinder werden erwachsen und lösen sich aus dem Familienbund; Organisationen wandeln sich in Struktur, Mitarbeiterschaft, in der Größe, in der Dynamik).

Man könnte also annehmen, wir Menschen, als selbstreflexive lebende Systeme, seien Experten für Veränderungen. Und doch beschäftigt uns nichts auf der Welt so sehr, wie das Loslassen des Alten und das Annehmen des Neuen. Weil jede Veränderung, aber insbesondere die sprunghaften Veränderungen (Berufswechsel, Verlust einer nahestehenden Person, der 40. Geburtstag…), ein Verlassen des Gewohnten, unserer Komfortzone, und das Beschreiten neuer, unsicherer Pfade bedeuten. Nicht selten finden wir uns dann im Spannungsfeld zwischen der Lust auf und der Angst vor Neuem.

Ich habe mir die Begleitung, Unterstützung und Steuerung von Veränderungsprozessen zum Beruf gemacht. Es ist spannend, aufregend und oft erstaunlich, was dabei geschieht. Und man weiß vorher nie, wo man herauskommt. Aber es ist immer mit viel Lust verbunden, heißt, es macht Spaß und ist lustig und ganz gewiss auch anstrengend. Und manchmal komme ich mit meinen eigenen Veränderungen nicht klar.

Man ist sich selbst halt nicht immer der beste Berater ;-) aber dafür gibt es ja zum Glück noch andere.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen aufregenden Herbst (auch ein Symbol der steten Veränderung)!